Toni, das deckt sich ja im Grunde mit den von mir angeführten Gründen.
Ich kann da vielleicht auch noch 2 Storys beitragen:
Wir sind in den Mittneunzigern des letzten Jahrhunderts
eingeladen gewesen bei Case IH in Neuss am Rhein. Werksbesichtigung und Gesprächsrunde unter Landwirten aus ganz Deutschland.
Die Werksbesichtigung war für mich persönlich damals irgendwas zwischen boah krass und ach du Scheiße... Boah kras gabs da viel zu sehen und ach du Scheiße auf was für alten Maschinen produzieren die denn hier noch?! Es war meine erste West-Werksbesichtigung, zuvor kannte ich nur Singwitz und Schönebeck von innen und konnte daher nur den Vergleich ziehen. Da wurden noch Maschinen aus den Kriegs und Nachkriegsjahren genutzt um kurz vor der Jahrtausendwende moderne Traktoren zu bauen. Ich hab mir jegliche Fragen zur Ausstattung des Werks verkniffen, man fiel als Ossi dialekt bedingt eh schon genug auf...
Aber dann kam ja die Talkrunde mit Landwirten und Case IH Neuss und die verlief zunächst überraschend locker, bis es zum Punkt Fahrkomfort kam. Da erhob mein Vater das Wort und fragte trocken wann man bei Case IH gedenke Vorderachsfederungen einzuführen, und begründete den Wunsch auch mit den schlechten Straßen (ok, damals) im Osten, den oft miserablen Feldwegen und vor allem langen Transportwegen und vielen Stunden die man der Betriebsgröße wegen auf den Maschinen sitzt. Vorweg, wir waren zu dem Zeitpunkt Feuer und Flamme für Case IH Traktoren (dank Tiede Landtechnik, falls den norddeutschen Landtechnikhändler noch wer kennt). Die Antwort von Case IH fiel extrem ernüchternd aus: "Das ist nicht geplant, zumal - Vorderachsfederung wird sich am Markt eh nicht durchsetzen, zu teuer." Das hatte gesessen. Ich weiß noch wie verdutzt ich meinen Vater anschaute ... Das war deren Ernst?!
Im Ergebnis haben wir die nächsten 6 Jahre alle Case IH Traktoren im Betrieb nach und nach durch Fendt ersetzt, im Grunde allein dem Fahrkomfort wegen denn ansonsten waren die damals durchaus ebenbürdig.
Vaterns Spruch, ein Zitat eines LaMa Händlers, der hängen blieb: "Eine Vorderachsfederung oder einen guten Sitz können wir kaufen - eine neue Wirbelsäule nicht."
Meiner Ansicht nach damals eine krasse Fehleinschätzung von Case IH in Neuss am Rhein - dass Werk schloss dann übrigens auch wenige Jahre Später. Veraltet, unrentabel. Oh Wunder...
Amazone, 1990iger Jahre...
Wir hatten im Betrieb sehr früh auf Körnermais und Sonnenblumen gesetzt. Beim Mais wurden wir zunächst beschmunzelt, bei den Sonnenblumen anfangs gar ausgelacht. Am Ende hatten wir als erste im Landkreis druschfähigen Körnermais mit über 100dt Ertrag und bei den Sonnenblumen rannten uns die Saatgutfirmen die Bude ein, denn auch die ließen sich damals noch bestens anbauen und ernten, auch dank Case Axial Mähdreschern.
Zurück zur Aussaat - die erfolgte mangels Alttechnik mit 2 Amazone Airplanter Einzelkornsähmaschinen. Diese hatten jeweils ein Unterdruckgebläse zur Vereinzelung der Körner. Nach nur 400 ha fiel das erste Gebläse mit Totalschaden aus und Amazone ging von einem Einzelfall aus. Die zweite Maschine kam aber nur wenige ha später mit dem gleichen Fehler. Diesmal fragte Amazone nach der Hektarleistung, 440 ha. Man wurde hellhörig und fragte, in wieviel Jahren? Wir: "Na letztes Jahr und diese Saison." Am Telefon wurde es deutlich leiser, man versprach kurzfristige Abhilfe. Am Tag drauf, zum Sonntag! kam ein Auto von Amazone mit einem Monteur und dem Konstrukteur sowie zwei neuen Unterdruckgebläsen mit offensichtlich händisch abgeänderter Lagerung...
Ende vom Lied: Die Lagerung war nicht ausgelegt auf "Schichtbetrieb" bei gleichzeitig diesen Hektarleistungen und das sei so auch nicht normal, aber man habe Änderungen vorgenommen die nun Besserung versprachen.
Auch heutige Größen wie Amazone haben nach der Wende einiges an Lehrgeld bezahlt, wie man sieht. Zumal das nicht das letzte mal war, wo wir Besuch von Amazone Beschäftigten hatten. Aber im Gegensatz zu Case IH hatte man bei Amazone zumindest damals offene Ohren und den Willen besser zu werden.
Die Technik des Ostens war sicher nicht in allen Bereichen gut oder gar perfekt, aber in weiten Teilen besser, als es nach der Wende aussah. Den meisten Betrieben fehlte meiner Meinung nach damals schlicht die nötige Kapitaldecke oder Investoren, die es nicht nur aufs platt machen und Patente mit nehmen abgesehen hatten. Die Treuhand hatte gerade bei der Landtechnik oftmals kein gutes Händchen, wie man am Beispiel Schönebeck drastisch miterleben musste und auch Case IH war für Singwitz nicht unbedingt ein Segen. Oder all jene, welche die Leipziger BBG ausbluten lassen haben (Rabe, Kleine z.B.) bevor Amazone zum Glück das Ruder herum riss und auch mal was investierte in den Standort.
Zu guter letzt sei gesagt - das Höfesterben hat das Herstellersterben sicher beschleunigt, es waren auch einfach zu viele. Aber auch ein jeder Landwirt hat mit zu beigetragen, mit seinen Kaufentscheidungen.
Und damit es Zetor nicht auch so ergeht, fahren wir doch alle am liebsten einen Zetor.